Schummeleien durch die Wortwahl

Worte können täuschen. Oft werden Begriffe gewählt, die schön klingen – und etwas völlig anderes verschleiern. „Naturschutzmaßnahme“ klingt nach Fürsorge, doch manchmal bedeutet es: Bäume fällen, Erde aufreißen, Laster im Wald. Sprache beruhigt, wo sie eigentlich wachrütteln müsste. Genau darum geht es hier: um Worte, die uns ein gutes Gefühl geben – und uns gerade dadurch in die Irre führen.

Schöne Worte – trügerische Wirkung

Schöne Worte führen uns oft in die Irre. Deshalb lohnt es sich, hier mal genauer hinzusehen. Was sollen wir denken, und was ist wirklich? Seit ich darauf achte, sehe ich immer mehr. Zum Beispiel: Naturschutzmaßnahmen am Bach oder Wohnen im Dichterviertel.

Das Dichterviertel – Poesie oder grauer Beton?

Also, untersuchen wir es mal genauer.
Würdest Du auch gerne im Dichterviertel wohnen?
Welche Bilder tauchen in Deinem Kopf auf?
Wie sehen die Häuser dort aus?
Das Viertel, die Nachbarschaft?
Welche Gefühle löst das aus?
Spricht Dich das an?
Oder magst Du keine Dichter und würdest deshalb niemals in ein Dichterviertel ziehen?

Also in meinem Kopf tauchen Bilder aus Konstanz auf. Mit großen alten, schweren Villen, mit Garten, Vögeln und Obstbäumen. Mit Fahrrad fahrenden Menschen… Von Zufriedenheit und Ruhe. Besinnlichkeit, Langsamkeit, Ernsthaftigkeit.
Naja, ich war schon länger nicht mehr in Konstanz in dem Viertel. Aber das löst es in mir aus. Das sind meine Gefühle und Gedanken.

Was ist in Deinem Kopf?
Halte mal inne und überlege:
Wie sehen Deine Häuser oder Wohnungen im Dichterviertel aus?

Hand aufs Herz

Denkst Du an Industriebauten?
An hässliche Wände, an einen „schmalen Schlauch“, an einen schmalen langen Wohnblock?
Doch, genauso ist es. Aber wo sind die Dichter? Was hat so eine Umgebung mit Dichtern zu tun?
Wo ist das Viertel?
Weißt Du es? Weißt Du, wie es gemacht wird?

Werbeplakat auf Baustelle. Sieht ok aus. Aber Abstand zu Nachbargebäude gering

Alles, was an dem Wohnen im Dichterviertel dran ist, sind:
Die Straßennamen.
Man nimmt Namen und benennt die Straßen nach verschiedenen Dichtern. Und schwuppdiwupp habe ich ein Dichterviertel.
Und dann wohnt man eben im Dichterviertel.

Welche Täuschung. Man nimmt ein Wort, das positiv besetzt ist, und verpackt damit etwas – in diesem Falle die hässliche Umgebung.

Wenn „Naturschutz“ Kettensägenlärm bedeutet

Genauso siehst Du oben auf dem Bild, wie Naturschutzmaßnahmen am Bach aussehen. Dabei klingt Naturschutz doch wirklich gut. Etwas, das jeder von uns will. Denn es ist gut, die Natur zu schützen.

Doch – was versteht der Andere darunter?
In diesem Fall ging es darum, dass mehr Licht ins Tal kommen sollte. Ob das stimmt oder ob es besser war, hier ein paar Bäume sinnvoll zu verkaufen, vermag ich nicht zu beurteilen. Aber das als Naturschutz zu bezeichnen, fand ich doch krass. Ganz abgesehen von dem tagelangen Lärm und den tiefen Spuren der Laster.

Die Macht der Worte – und ihre Tarnkappen

Prüfe immer, ob es wirklich gut ist – oder nur gut klingt.

Die Täuschung findet nicht nur im Dichterviertel statt. Sie zieht sich durch viele Bereiche – und wir merken es kaum.

Worte verändern ihre Bedeutung. Was früher klar war, wird heute weichgespült oder überhöht.
„Naturschutz“ bedeutet plötzlich Abholzung.
„Dichterviertel“ steht für Beton.
Und selbst das Wetter wird sprachlich aufgeladen.
Genau deshalb ist Haltung so entscheidend – warum Haltung wichtiger ist als Worte.

Früher haben wir uns auf die Wettervorhersage verlassen. Wir waren viel draußen unterwegs – und was angekündigt war, passte meist. Heute sehe ich oft etwas anderes:
Die App zeigt Sonne, draußen ist der Himmel grau.
Sie warnt vor Sturm, während kein Blatt sich bewegt.
Nicht das Wetter selbst ist das Problem – sondern wie darüber gesprochen und berichtet wird.

Die Worte klingen größer, dramatischer, gefährlicher.
Aus Wind wird Sturm. Aus Regen Starkregen. Aus Sommer Hitzewelle.
Und die Farben in den Apps unterstützen das – Gelb wurde zu Orange, Orange zu Rot.
Rot heißt Gefahr.
So wird aus dem, was einfach nur Wetter ist, eine kleine Inszenierung.

Wenn Worte und Bilder nicht mehr zeigen, was wirklich ist,
sondern das, was wir glauben sollen,
dann wird es gefährlich.
Weil wir anfangen, mehr auf die Darstellung zu vertrauen als auf unsere eigene Wahrnehmung.

So, wie sich auch der „Onkel Doktor“ verändert hat.
Früher hat er zugehört, geprüft, eingeschätzt.
Heute muss er Zahlen erfüllen, Vorgaben, Effizienz.
Er ist kein Onkel mehr – er ist Unternehmer.
Und genau das passiert auch mit Sprache.
Sie dient nicht mehr nur dazu, zu beschreiben,
sondern Ziele zu erreichen.

Darum: Pass auf.
Schau selbst hin.
Vertrau Deinen eigenen Sinnen mehr als dem, was Dir verkauft wird –
egal ob in Werbung, Politik, Wetterbericht oder Arztpraxis.

Wie beim Frosch im Kochtopf:
Die Veränderung kommt leise –
bis sie laut wird.

Auf dem Foto oben siehst Du die Baulücke mit dem Bauvorhaben-Schild.
Genau dort stand früher das kleine Haus mit dem blühenden Garten –
und eine Frau, deren Haltung und Wärme den ganzen Ort geprägt haben.
Ihre Geschichte erzähle ich hier:
👉 Frauen unterschätzen ihre Wirkung – wie Haltung sichtbar wird, auch ohne Worte

Wenn Dich solche Themen wachrütteln, bleib dran.
Ich schreibe regelmäßig über Sprache, Wahrnehmung und Haltung –
darüber, wie wir uns selbst und anderen wieder klar begegnen können.

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Andrea Sam – Kommunikationsberaterin & Coach
Für gelingende Gespräche, klare Führung und persönliche Entwicklung.

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2 Antworten

  1. Liebe Andrea, wenn man weiß, daß in den Medien die Parole gilt: „only bad news are good news“ ist schon klar, daß die Dramaturgie und der Profit immer Vorrang haben…
    Ich weiß, daß unsere lokalen TV-Nachrichtensprecher:innen einen Kurs in „Betroffenheitsmimik und -gestik“ absolvieren müssen… Und das beste Beispiel ist Werbung; was da alles vorgegaukelt wird…
    Bei manchen Themen ist es aber echt schwer, sich eine eigene Meinung zu bilden – holt man sich im Netz Informationen zu einem Thema, verhindert ein Algorithmus es ja geradezu, daß man an gegenteilige Info kommt; also was tun? Ich weiß es leider auch nicht wirklich – vielleicht einfach mal dem gesunden Menschenverstand vertrauen?
    Liebe Grüße Elli

    1. Vielen lieben Dank für Deine Worte, es zeigt mir, dass Du meinen Artikel aufmerksam gelesen hast. Ich liebe es, die Dinge zu hinterfragen und das Ende unbeantwortet zu lassen und es in mir zu bewegen und so viel wie mögliche Varianten zu fühlen. Du hast auf alle Fälle Recht, dem gesunden Menschenverstand zu vertrauen. Ich würde sogar noch weitergehen und es unser ursprüngliches Bauchgefühl nennen, mit welchem wir auf die Welt gekommen sind. Ich danke Dir von Herzen für Deine Worte – Andrea

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