Warum Ordnung und Spontanität sich so oft in die Quere kommen

Mandala in Blau

Viele Konflikte entstehen nicht, weil Menschen unterschiedliche Meinungen haben.
Sondern, weil sie aus unterschiedlichen inneren Ordnungen heraus handeln.

Im Alltag zeigt sich das oft beiläufig –
in Planungen, Absprachen, im Umgang mit Zeit, Verbindlichkeit oder Veränderungen.
Und genau dort wird es schnell emotional.

Nicht, weil jemand Recht behalten will.
Sondern, weil etwas sehr Grundlegendes berührt wird.

Der strukturierte Typ – Ordnung gibt Halt

Der strukturierte Typ braucht Ordnung.
Nicht erst kurzfristig, sondern möglichst weit im Voraus.

Er plant früh. Sehr früh.
Man erkennt ihn oft daran, dass Dinge geklärt werden sollen, lange bevor andere überhaupt daran denken.
Weihnachten zum Beispiel. Schon im Oktober wird besprochen, wer was mitbringt, wer wofür zuständig ist – manchmal bis ins Detail.

Es entstehen Listen.
Klare Abläufe. Zuständigkeiten. Zeitpläne.

Losgelöst von Feiertagen zeigt sich das überall:
Der strukturierte Typ plant im Winter, was er im Sommer machen will.
Er weiß früh, welches Saatgut er braucht, wo er es kauft, was es kostet, wann es geliefert wird und ob es zeitlich noch reicht zum Anpflanzen.

Verzögerungen machen ihn unruhig.
Unklare Abfolgen ebenso.

Auch Tage haben für ihn eine klare Ordnung:
Ein Sonntag ist ein Sonntag – und kein Montag.
Es gibt Sonntagsregeln und Montagsregeln.
Was genau gilt, ist zweitrangig. Entscheidend ist, dass es gilt.

Ordnung gibt ihm Halt.
Er erlebt sich innerlich sortiert – und oft auch als richtig.

Der flexible Typ – Ordnung entsteht im Moment

Der flexible Typ folgt einer anderen Ordnung.
Seine Leitfrage lautet nicht: Was ist geplant?
Sondern: Was steht jetzt an?

Wie ist das Wetter jetzt?
Dann gehe ich jetzt Radfahren.

Jetzt ist Weihnachten, die Gäste kommen, ich bin noch nicht fertig?
Kommt rein, hier ist ein Sekt, wir trinken erst mal.

Der flexible Typ hat Sekt zu Hause –
nicht, weil er es geplant hat,
sondern weil ihm irgendwann durch den Kopf ging: Sekt ist aus, bald ist Silvester.
Und dann ist er im Laden über ein Angebot gestolpert.

Er geht ohne Einkaufsliste einkaufen.
Er schaut, was da ist, und entscheidet im Moment, was er braucht.

Auch Urlaube entstehen so:
Ein Gespräch, eine Empfehlung, ein Gedanke –
und wenn es sich stimmig anfühlt, wird gebucht.

Weihnachten hat er grob im Blick.
Die Details entscheidet er kurzfristig.
Sind zu wenig Löffel da, wird eben mit der Gabel gegessen.
Ist auch egal. Die Welt geht nicht unter.

Der flexible Typ erlebt sich als lebendig, dynamisch, offen.
Er freut sich über Überraschungen.
Abweichungen sind für ihn kein Problem, sondern Teil des Lebens.

Wenn Welten aufeinanderprallen

Der strukturierte Typ ist oft entsetzt über den flexiblen:
Kein Plan.
Keine klare Festlegung.
Immer wieder etwas Neues.

Der flexible Typ beginnt innerlich zu gähnen:
Alles in Kästchen.
Kaum Bewegung.
Das Leben wirkt für ihn eingeengt – manchmal sogar halbtot.

Beide erleben sich selbst als normal.
Und den anderen als schwierig.

Der eigentliche Konflikt

Wenn wir diese unterschiedlichen Typen nicht kennen,
gehen wir stillschweigend von einer Annahme aus:

Die Welt ist richtig, wenn alle es so machen wie ich.
Und die anderen ticken halt nicht richtig.

Das Problem liegt dann nicht im Thema.
Nicht im Willen.
Nicht in der Absicht.

Sondern in der unterschiedlichen inneren Ordnung.

Die verschiedenen Typen treffen hier auf tiefe innere Strukturen.
Und diese sind wichtig – existenziell wichtig.

Für den einen bedeutet Ordnung Sicherheit.
Für den anderen bedeutet Offenheit Lebendigkeit.

Wird das Verhalten des anderen kritisiert,
fühlt sich das oft an wie ein Angriff auf genau diese Werte:
Willst Du mir meine Lebendigkeit nehmen?
Oder: Willst Du mich durcheinander bringen?

Wer Ordnung braucht, erlebt Flexibilität schnell als Chaos.
Wer Offenheit braucht, erlebt Struktur schnell als Einengung.
Das ist wichtig. Und das ist richtig.

In der Realität sind die meisten Menschen Mischformen –
doch in Konflikten rutschen wir erstaunlich schnell in eine der beiden Richtungen.

Übertragung in den Berufsalltag

Im Arbeitsalltag zeigt sich das besonders deutlich.

Der strukturierte Typ weiß morgens genau,
womit er startet,
wie der Tag verläuft,
wann er Feierabend macht.

Der flexible Typ weiß auch, was ansteht.
Aber ob er es genau so macht, entscheidet sich im Moment.
Ein Kundenanruf kann Vorrang bekommen.
Eine neue Information kann alles verschieben.

Der flexible freut sich über die Abwechslung:
Das ist jetzt wichtiger.

Der strukturierte empfindet das – je nach Ausprägung – als Störung.
Oder als Unzuverlässigkeit.

Ein altes Beispiel: die gemeinsame Waschküche

Ein Familienkonflikt drehte sich um die Nutzung einer gemeinsamen Waschküche.
Grundsätzlich war alles geklärt:
Jede durfte sie nutzen.

Schwierig wurde es in der Umsetzung.

Die strukturierte Wäscherin wollte montags waschen.
Nur montags.
Das war ihr Waschtag.

Die flexible Wäscherin sagte:
Ist mir egal. Ich wasche, wenn es ansteht.
Manchmal eben auch sonntags.

Am Montag war die Waschküche noch voll.
Kein böser Wille.
Zwei völlig unterschiedliche Logiken.

Wie man damit umgehen kann

Der erste Schritt ist kein Kompromiss.
Sondern Selbstklärung.

Welcher Typ bin ich?
Wie treffe ich Entscheidungen?
Wann treffe ich sie?

Der zweite Schritt ist Beobachtung des Gegenübers:
Wie entscheidet der andere?
Wann entscheidet er?

Und dann die entscheidende Frage:
Könnte der Konflikt in der Unterschiedlichkeit liegen –
und nicht im Wollen?

Beide Typen haben ihre Berechtigung.
Beide haben Vorteile.
Und beide bringen Schwierigkeiten mit sich.

Schwierig wird es nicht, weil einer falsch ist.
Sondern weil völlig verschiedene Welten aufeinandertreffen.

Andrea Sam, Kommunikationsberaterin & Coach –
für gelingende Gespräche, klare Führung und persönliche Entwicklung.

👉 Wenn Du merkst, dass Gespräche immer wieder an unsichtbaren Stellen kippen,
kann es hilfreich sein, nicht weiter an Argumenten zu feilen,
sondern die zugrunde liegenden Ordnungen sichtbar zu machen.
Dabei begleite ich Menschen in Einzelgesprächen und ausgewählten Gruppenformaten.

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