Was auch immer Weihnachten für Dich bedeutet – oder eben nicht bedeutet.
Mir ist es ein Anliegen, die Komplexität dieses Festes sichtbar zu machen.
Und damit auch zu sagen: Wenn Weihnachten für Dich schwierig ist, kann das viele Gründe haben – und es liegt nicht einfach nur an Dir.
Erwartungen, Prägungen, kulturelle Bilder und die Bedürfnisse anderer Menschen wirken gleichzeitig auf uns ein.
Weihnachten naht – aber was eigentlich?
Weihnachten naht.
Und damit naht – ja was eigentlich?
Genau das möchte ich in diesem Artikel ein wenig untersuchen.
Nicht, um Dir zu erklären, wie Weihnachten „richtig“ geht,
sondern um Dir Dein eigenes Weihnachten verständlicher zu machen –
mit all seinen Facetten.
Die religiöse und kulturelle Ebene
Wir leben in einem überwiegend christlichen Land.
Damit ist die Geschichte von der Geburt Jesu für die meisten von uns irgendwie präsent.
Wir haben davon gehört, gelesen, sie erlebt.
Stall. Bethlehem. Maria. Josef. Das Kind.
Je nach christlichem Kontext, in dem Du aufgewachsen bist,
haben diese Bilder eine starke Bedeutung – oder eben kaum eine.
Das ist bei jedem von uns unterschiedlich.
Gleichzeitig wird Weihnachten oft kulturell betrachtet:
als schönes Fest, möglichst mit Schnee.
„Weiße Weihnachten“ gelten für viele als etwas ganz Besonderes.
Fast wie die Krönung.
Ich erinnere mich an ein Weihnachten,
an dem ich am 25.12. mit meinem Enkel in der Mittagssonne saß.
Das war wunderbar.
Und hatte gleichzeitig so gar nichts mit Schnee und Winterromantik zu tun.
Und doch schauen viele jedes Jahr wieder auf die Wetter-App:
Gibt es weiße Weihnachten?
Und all das bleibt nicht abstrakt – es zeigt sich sehr konkret im Alltag.
Der lange Anlauf – Advent, Rituale und Dauerbeschallung
In unserer Kultur steuern wir ab Anfang September klar auf Weihnachten zu.
Die ersten Spekulatius und Lebkuchen liegen in den Supermärkten.
Dann kommt der Advent: Adventskranz, Kerzen, Dekoration.
In den Läden bekommst Du genau das, was Du jetzt „brauchst“.
Oder brauchen sollst.
Was gerade ansteht.
Du kannst kaum einkaufen gehen und sagen:
Weihnachten geht mich nichts an.
Spätestens an Nikolaus kommt die nächste Welle.
Und weißt Du noch, wie das für Dich als Kind war?
Hattest Du Angst vor dem Nikolaus?
Oder war er ein gütiger Mann?
War Knecht Ruprecht dabei?
Gab es Geschenke – oder Drohungen?
Vorgaben, Meinungen und unsichtbare Regeln
Wie müssen die Kerzen auf dem Adventskranz sein?
Welche Farbe „gehört“ sich?
Weißt Du, was dieses Jahr in ist?
Oder entscheidest Du Dich wirklich für Deinen Adventskranz?
Machst Du ihn selbst?
Oder bekommst Du ihn geschenkt?
Du merkst schon:
Schicht um Schicht.
Alte Erfahrungen.
Kulturelle Vorgaben.
Und sehr viele Meinungen darüber, wie Weihnachten zu sein hat.
Planung, Familie und Logistik
Mitte Dezember wird es konkret:
Wer trifft sich wann, wo, mit wem?
Wer ist dieses Jahr dabei – und wer nicht mehr?
Der Heilige Abend gehört den Kindern.
Oder denen, die in die Kirche gehen.
Oder denen, die um 16 Uhr Bescherung machen.
Wohin geht man bei Euch am ersten Weihnachtstag?
Oder bist Du diejenige, zu der alle kommen?
Dann beginnt die Logistik.
Freust Du Dich auf den Besuch?
Oder hast Du eher Bedenken?
Weißt Du, was jeder isst oder nicht verträgt?
Wer vegan lebt?
Wer kein Gluten mehr isst?
Fest der Liebe – oder Pflicht zur Freude?
Man hat sich auf Weihnachten zu freuen.
Oder wie viele hörst Du sagen:
„Weihnachten, furchtbar. Ich wäre froh, es wäre vorbei“?
Und dann kommen schnell die Bewertungen:
Was stimmt mit denen nicht?
Haben sie keine liebende Familie?
Gehören sie nicht dazu?
Haben sie nicht verstanden, dass Weihnachten ein Fest der Liebe ist?
Große Worte.
Schwere Worte.
Unterschiedliche Ordnungen treffen aufeinander
Diese Bewertungen haben oft weniger mit bösem Willen zu tun, als mit sehr unterschiedlichen inneren Ordnungen.
Natürlich freut man sich, Menschen wiederzusehen,
die man lange nicht getroffen hat.
Und doch zeigt sich schon in der Planung,
wie unterschiedlich Menschen ticken.
Ich erinnere mich an eine Frau,
die im Oktober einen familieninternen Rundruf gestartet hat:
Wer kommt an Weihnachten?
Und wer hat noch Kuchengabeln?
Sie wollte früh wissen,
wie viele Stühle, Teller und welches Besteck gebraucht werden.
Für andere war das so absurd,
dass mir die Geschichte erzählt wurde.
Die Frau war hoch strukturiert –
und für sie gelang Weihnachten genau so.
Andere wiederum fühlen sich wohler,
wenn man spontan entscheidet,
sich aufs Sofa oder auf den Boden setzt
oder gemeinsam in der Küche die vorhandenen Löffel abwäscht.
Oder eben auch: mit dem essen, was gerade da ist – selbst wenn es nicht das „richtige“ Werkzeug ist.
Dieses Jahr gab es sogar die Challenge:
Pudding mit der Gabel essen.
Mit großem Zulauf.
Ähnlich spannend wird es beim Thema Geschenke.
Viele entscheiden sich bewusst für: keine Geschenke.
Und dann zeigt sich, wie unterschiedlich das verstanden wird.
Gar nichts – wirklich nichts?
Oder ist doch klar, eine Kleinigkeit geht immer?
Oder vielleicht sogar etwas Größeres,
weil es ja „nur eine Aufmerksamkeit“ ist?
Auch hier wird sichtbar,
wie Vereinbarungen interpretiert werden
und wie unterschiedlich Menschen mit ihnen umgehen.
Macht, Gewohnheit und Übergänge
Dann ist man irgendwann unter dem Weihnachtsbaum.
Moment – braucht es überhaupt einen?
Welchen?
Echt oder Plastik?
Wann wird er aufgestellt?
Wo steht er?
Und dann:
Wie läuft die Bescherung ab?
In welcher Reihenfolge?
Wer bestimmt das?
Wer darf bestimmen?
Und was passiert,
wenn die Person, die sich früher immer durchgesetzt hat,
das plötzlich nicht mehr kann –
weil sie alt oder krank geworden ist?
Wer übernimmt dann?
Wie alt bist Du an Weihnachten?
Jetzt ist Weihnachten. Halleluja.
Wird bei Euch gesungen?
Live? Spotify? Blockflöte?
Wer bestimmt die Tonart?
Und jetzt die vielleicht wichtigste Frage:
Wie alt bist Du an Weihnachten?
Auf dem Kalender hast Du Dein aktuelles Alter.
Aber in den Dynamiken
kannst Du plötzlich wieder ohnmächtig sein wie als Kind.
Oder so behandelt werden.
Das passiert fast allen –
egal, wo und wie sie feiern.
Selbst wenn Du Dich entscheidest,
Weihnachten nicht zu Hause zu feiern,
sondern irgendwo anders – vielleicht sogar im Bikini.
Ich habe einmal Weihnachten in Nepal verbracht
und war verblüfft, wie präsent Weihnachten auch dort war.
Dem Thema entziehen konnte ich mich auch dort nicht.
Der Ort ändert sich.
Das Feld bleibt.
Danach
Nach den Feiertagen muss man sich oft erst einmal erholen.
Nicht nur vom vielen Essen.
Sondern von diesem ganzen Konglomerat.
Was war das gerade?
Warum habe ich so reagiert?
Warum fühle ich mich jetzt so?
Durchatmen.
Bald kommt Silvester.
Nicht ganz so aufgeladen wie Weihnachten.
Immerhin gehen manche einfach ins Bett und sagen:
Ist mir egal.
Mit Weihnachten ist das schwieriger.
Ein leiser Impuls
Meine Zeilen sollen Dir zeigen,
wie vielschichtig Weihnachten ist
und wie herausfordernd es sein kann,
da gut durchzukommen.
Wenn Du magst,
versuche bewusst wahrzunehmen,
zu spüren, zu atmen
und zu beobachten, was gerade passiert.
So kannst Du vielleicht
ein wenig leichter
aus dem Strudel aussteigen.
Andrea Sam, Kommunikationsberaterin & Coach – für gelingende Gespräche, klare Führung und persönliche Entwicklung.
2 Antworten
Liebe Andrea.
Vielen Dank für diesen tollen Artikel.
Es macht bewusst was oft unbemerkt abläuft und so ganz schnell zu Problemen führen kann wenn die eigenen Erwartungen nicht erfüllt werden.
Meist redet man ja nicht darüber und dann stehen schnell viele Gefühle im Raum – unbeachtet – man fühlt sich unverstanden.
Ich werde durch Deinen Text angeregt dieses Jahr mal bewusst versuchen mehr zu beobachten- mich und die anderen…
Lg Melanie
Liebe Melanie, gell so vielschichtig, was da alles abgeht. Ich bin selbst wieder intensiv am beobachten. Dir viel Vergnügen beim entdecken, von was auch immer. Liebe Grüße Andrea