Spirituelle Wahrnehmung im beruflichen Kontext
Der Auftrag: Zusammenarbeit verbessern
Der Auftrag ging an uns – Bernhard Fischer und mich, Andrea Sam. Wir arbeiten seit Jahren gemeinsam als Beraterteam: systemisch, strategisch, klar – und immer im Dialog. Wir ergänzen uns, erkennen schnell, was wirklich wirkt, und erzielen für unsere Kunden oft tiefgreifende Veränderungen.
Diesmal ging es um das Thema Zusammenarbeit im Führungsteam. Die wirtschaftliche Lage der Firma war angespannt. Und doch lautete die Vorgabe: „Die Führungskräfte sollen besser zusammenarbeiten.“
Was genau damit gemeint war, blieb offen. Aber es war spürbar, dass etwas Grundlegendes fehlte – eine klare Ausrichtung, ein echtes Ziel.
Der Kontakt kam über die Personalabteilung zustande, die uns bereits aus früheren Seminaren kannte. Sie empfahl uns weiter. Der Inhaber in zweiter Generation war offen. Er hatte das Vertrauen, dass ein externer Workshop eine Chance sein könnte – auch wenn er zunächst investieren musste. Dieses Vertrauen war entscheidend – und ermöglichte es uns, wirklich in die Tiefe zu gehen.
Der erste Schritt: Zuhören, sortieren, klären
Bevor wir Workshops durchführen, sprechen wir immer zuerst mit dem Inhaber oder der zuständigen Führungskraft.
Wir hören zu. Wir fragen nach. Wir sortieren, was da ist – und was noch nicht greifbar ist.
Wir prüfen, ob die Situation überhaupt klar beschrieben werden kann.
Und wir spitzen zu, was bisher nur vage war.
In diesem Gespräch wird oft zum ersten Mal deutlich, worum es eigentlich geht.
Was vorher verschwommen war, bekommt Kontur. Der eigentliche Grund kommt auf den Tisch.
Und das verändert etwas.
Denn sobald jemand erkennt, worum es in Wahrheit geht – und es klar benennen kann – handelt er auch anders.
Nicht irgendwann, sondern ab sofort.
Das, was oft als „Auftragsklärung“ bezeichnet wird, ist bei uns bereits der erste Schritt zur Veränderung.
Und dieser Schritt wirkt.
Und dann zeigte sich: Es war nicht die Zusammenarbeit
Bei genauerer Auftragsklärung wurde deutlich: Das eigentliche Thema war nicht Zusammenarbeit.
Der Markt hatte sich verändert. Die Firma war bekannt für ihre High-End-Produkte – technisch anspruchsvoll, präzise, hochwertig. Aber das reichte nicht mehr.
Der Markt verlangte zunehmend nach einfacheren, günstigeren Produkten. Schnell gefertigt, mit weniger Aufwand – und vor allem: wirtschaftlich tragbar.
Doch genau das gelang nicht.
Immer wieder landeten auch die geplanten „einfacheren“ Produkte auf High-End-Niveau. Zu teuer, zu aufwendig, zu perfekt.
Gleichzeitig verstanden viele Führungskräfte nicht, dass ein voller Auftragskalender nichts bringt, wenn am Ende kein Geld übrig bleibt.
Sie schickten Mitarbeitende auch dann nicht nach Hause, wenn nichts zu tun war. Überstunden wurden aufgebaut statt abgefeiert. Und selbst über Kurzarbeit sprach niemand.
Also stellte ich mir die Frage:
Warum handeln kluge Menschen gegen jede wirtschaftliche Logik?
Was steht dahinter? Was ist die gute Absicht?
Was sind die ungeschriebenen Werte dieser Firma?
Ich begann zu suchen. Nach dem, was nicht gesagt wurde. Nach Geschichten. Nach wiederkehrenden Mustern.
Und dann tauchten sie auf:
Die Geschichte des Seniorchefs.
Die Geschichte vom Bach.
Und die tiefe Loyalität gegenüber alten Ordnungen.
Der Gründer – streng, fürsorglich, prägend
Der Firmengründer war ein typischer Patriarch – so, wie man ihn sich vorstellt. Streng, aber auch sehr um seine Leute bemüht. Er kannte alle mit Namen. Und er wusste um die persönliche Situation jedes Einzelnen.
Er hatte immer die Hosentasche voller Fünfmarkstücke – was damals viel Geld war. Und wenn er merkte: Da steht eine Belastung an – dann gab es Unterstützung. Für eine Arztrechnung. Für eine Taufe. Für Lebensmittel.
Seine Haltung war klar: Wer gut arbeitet, soll auch davon leben können.
Diese Fürsorge war keine Strategie – sie war gelebter Wert.
Und genau dieser Wert – dass es allen gut gehen soll – wirkte bis heute nach.
Später zeigte er sich in anderer Form: Als das Versprechen von Arbeit. Auch dann, wenn keine da war.
Der aktuelle Inhaber – sein Sohn – hat das eindrücklich erzählt. Man konnte den Senior noch spüren, obwohl er längst verstorben war.
Er lebte weiter – in den Werten der Firma, im Umgang mit den Mitarbeitenden, in den Entscheidungen der Führung.
Auch seine Frau hatte Einfluss. Ihr war das Ansehen im Ort wichtig. Sie wechselte ständig die Geschäfte, kaufte mal hier, mal dort. Niemand sollte bevorzugt werden. Niemand durfte sich übergangen fühlen.
Der Inhaber erzählte uns das unter sechs Augen. Und es war spürbar, was dieses Verhalten seiner Eltern auch mit ihm gemacht hatte. Gut, dass wir nur zu dritt im Raum waren.
Hohe Qualität – und trotzdem kein Gewinn
Was mich besonders stutzig machte: Die Firma hatte viele Aufträge.
Und trotzdem machte sie Monat für Monat Verlust.
Das passte nicht zusammen.
Also hörte ich genauer hin.
Schnell wurde klar: Die Firma konnte keine einfachen Produkte entwickeln. Selbst wenn etwas als „schlicht“ geplant war, wurde es technisch hochgezogen, überarbeitet, perfektioniert. Am Ende war es wieder High-End – zu aufwendig, zu teuer.
Das war kein Zufall. Das war ein Muster.
Fehler durften nicht vorkommen
Der Gründer ging jeden Freitag durch die Halle. Schaute sich Werkstücke an. Und wenn etwas nicht passte – nicht seinen Vorstellungen entsprach – wurde er laut. Sehr laut.
Fehler waren nicht vorgesehen.
Nicht erklärbar. Nicht erlaubt.
Und dann kam irgendwann einer auf die Idee: Ein misslungenes Teil flog einfach aus dem Fenster – in den Bach hinterm Haus. Weg war es.
Keine Nachfragen. Keine Erklärungen.
Es war eine Zeit ohne Materialkontrollen. Niemand merkte es.
Andere machten es nach.
Jeden Freitag landeten Werkstücke im Wasser.
Ich erfuhr davon im Workshop.
Da fiel dieser eine Satz: „Das war für den Bach.“
Ich fragte nach. Und dann kam die Geschichte.
Alle kannten sie.
Aber niemand hatte je darüber gesprochen, was das heute noch bedeutet.
Die Rückschlüsse auf die Gegenwart waren nicht gezogen worden.
Gut, dass ich nachgehakt habe.
Gut, dass ich es aufzeigen konnte.
Immer Arbeit – auch wenn keine da war
Ein ganz anderes, aber ebenso starkes Muster zeigte sich zur gleichen Zeit:
Mitarbeitende, die privat unter Druck standen – Schulden, Krankheit, familiäre Belastung – bekamen Arbeit.
Auch wenn es eigentlich nichts zu tun gab.
Auch samstags.
Man ließ sie nicht hängen.
Das war kein betriebswirtschaftliches Kalkül.
Das war Fürsorge.
Ein Wert, tief verankert im Unternehmen.
Die Führungskräfte versprachen Arbeit – auch wenn sie genau wussten, dass keine da war.
Völlig unverständlich aus heutiger Sicht.
Aber völlig logisch, wenn man die Haltung dahinter kennt.
Der Mitarbeiter hatte Schulden.
Er musste sein Häusle abbezahlen.
Da konnte man ihn nicht einfach heimschicken.
Der Wendepunkt: Was gilt heute?
Nachdem wir diese Geschichten sichtbar gemacht hatten – den Bach, die Fünfmarkstücke, die Fürsorge – konnten wir gemeinsam mit dem Inhaber und den Führungskräften eine neue Frage stellen:
Was gilt heute?
Was braucht es jetzt?
Was will der heutige Inhaber – als Mensch, als Unternehmer?
Es war, als würde sich ein Schleier lüften.
Plötzlich war Gegenwart möglich.
Und wir konnten anfangen, wirklich mit dem zu arbeiten, was ist.
Das folgende Jahr wurde das erfolgreichste in der Firmengeschichte.
Was bleibt
Manchmal wirkt in Unternehmen etwas, das man auf den ersten Blick nicht sieht.
Es ist nicht böser Wille, keine Unfähigkeit – es sind alte Bilder, alte Loyalitäten, alte Geschichten.
Wenn man sie erkennt und würdigt, entsteht Raum für Neues.
Sie spüren, dass in Ihrem Unternehmen etwas wirkt, das mit Zahlen allein nicht zu fassen ist?
Wir begleiten Sie gerne – mit Erfahrung, Klarheit und einem systemischen Blick.
👉 Kontakt mit mir, Andrea Sam
👉 oder über FISCHER Consulting
Dieser Beitrag gehört zur Serie:
Spiritualität im Berufsalltag – klar, spürbar, wirksam
In dieser Reihe zeige ich anhand konkreter Situationen, wie innere Wahrnehmung, systemisches Denken und unternehmerische Klarheit zusammenwirken – jenseits von Floskeln und Räucherstäbchen.
2 Antworten
Liebe Andrea,
danke schön für den tollen Artikeln, der mir zeigt, wie sehr unsere Prägungen die Gegenwart beeinflussen.
Liebe Cornelia
Danke Dir, das freut mich sehr. Ja – unsere Prägungen wirken oft stärker, als wir denken – auch im Unternehmensgedächtnis.