Spirituelle Wahrnehmung im beruflichen Kontext – eine Einladung, tiefer zu schauen
Ich arbeite immer auf zwei Ebenen. Parallel. Die eine ist sichtbar – mit Aufträgen, Meetings, Raum und Struktur. Die andere wirkt gleichzeitig: feiner, leiser, spürbar.
Ich nehme sie wahr, sobald ich einen Ort betrete. Nicht erst im Nachhinein – sondern sofort. Während ich die sichtbaren Aspekte wahrnehme, spüre ich zugleich, was darunter liegt.
Für viele ist das schwer vorstellbar. Und lange war es auch nicht gefragt. Aber für mich war es immer selbstverständlich, dieser feinen Ebene zuzuhören. Ich folge den Spuren, sobald es äußerlich möglich ist. Oft öffnet sich dadurch ein weiterer Zugang – zu Themen, die sonst verborgen geblieben wären.
Viele meiner Artikel befassen sich mit Kommunikation, innerer Haltung, Klarheit im Gespräch. Aber manchmal braucht es eine andere Sprache. Einen anderen Zugang. Manchmal wirken Ebenen mit, die nicht sichtbar sind – und dennoch Einfluss haben.
In meiner Arbeit als Kommunikationsberaterin und Prozessbegleiterin bin ich solchen Ebenen immer wieder begegnet – besonders dann, wenn es um Räume und Orte geht.
Diese Sammlung ist Teil meiner Serie über Spiritualität im Berufsalltag. Sie zeigt, wie Prägungen von Orten unser Miteinander beeinflussen – in Unternehmen, Behörden und Organisationen. Und sie lädt ein, genauer hinzuhören.
Ich bin wachsam, was mir ein Ort erzählt. Und er erzählt mir immer etwas. Mal nur für mich, oft aber auch von Bedeutung für den Auftrag. Selten ist es etwas, das ich laut ausspreche – aber es ist wirksam. Bislang wussten nur wenige davon. Heute teile ich es – in vier Geschichten.
Vier Orte, vier Geschichten – und was sie zeigen
Wenn ich in Unternehmen, Behörden oder Institutionen unterwegs bin, spüre ich sehr schnell: Wie fühlt sich dieser Ort an? Was erzählt er? Und: Passt das zu dem, was ich vom Auftraggeber höre? Oft zeigen sich Widersprüche – oder Zusammenhänge, die rational nicht erklärbar sind. Genau dann wird es spannend.
In den folgenden vier Geschichten erzähle ich von Orten, die geprägt sind. Von Vergangenheit, von Menschen, von Entscheidungen – und davon, wie das alles heute noch wirkt. Manchmal offensichtlich, manchmal verborgen. Aber immer relevant.
Ein Ort mit Geschichte – und ein stilles Gespräch mit der Vergangenheit
In einer staatlichen Institution sollte ich ein Seminar zu Kommunikation und Zusammenarbeit leiten. Schon beim ersten Termin war ich innerlich aufgewühlt, unruhig. Zum Glück war es eine Seminarreihe, sodass ich mehrfach Zeit hatte, das Gelände zu erkunden und mit verschiedenen Menschen zu sprechen.
Ich fragte nach der Geschichte des Hauses. Und dann erfuhr ich von einem historischen Ort in unmittelbarer Nähe – einem Platz mit schwerer Vergangenheit. Ich ging dorthin, verweilte still und würdigte, was dort gewesen war.
Was ich spürte, war keine Sensation – sondern Trauer, Verzweiflung, Ohnmacht. Die Frage: Wurden hier Menschen gehört? War das, was geschah, gerecht? Es war, als ob Stimmen aus einer anderen Zeit noch darauf warteten, wahrgenommen zu werden.
Ich war lange nicht mehr dort – und weiß nicht, wie sich die Atmosphäre inzwischen verändert hat. Aber ich weiß: Solche Orte haben ein Gedächtnis. Und manchmal genügt es, sie zu würdigen.
Orientierungslosigkeit in einem Behördengebäude – und was sie auslöst
Eine Institution beauftragte mich, die Mitarbeitenden in Gesprächsführung zu schulen – besonders im Umgang mit emotional aufgebrachten Bürger:innen. Ich sagte zu, wollte aber erst einmal vor Ort spüren, wie es sich anfühlt.
Ich war zu früh da, alles war noch ruhig, das Café gegenüber fast leer. Aber mir war klar: Hierher kommen sie – die Besucher:innen. Vor oder nach ihrem Termin. Das ist ein wichtiger Ort für sie.
Dann machte ich mich selbst auf die Suche nach dem Eingang. Und: Ich fand ihn nicht auf Anhieb. Er war unlogisch platziert, schwer zu finden. Ich war irritiert – obwohl ich Profi bin. Da wurde mir klar: Nicht ich bin irritiert. Sondern jeder, der als Besucher kommt, ist es.
Menschen kommen oft in einer emotional aufgeladenen Lage her. Und dann sind sie zusätzlich verunsichert – allein durch die räumliche Struktur.
Als ich im Gebäude war, folgte ich meinem Gefühl – und landete in der Poststelle. Ich sagte: „Oh, bei Ihnen landen wohl öfter Besucher?“ – „Ständig“, antworteten sie. Die Mitarbeitenden dort waren sehr freundlich. Und ich spürte: Sie fangen emotional enorm viel ab. Sie sortieren, beruhigen, erklären, schicken weiter. Ohne sie wären die Kolleg:innen in den Fachabteilungen deutlich mehr gefordert.
Der Auftrag war: Gesprächsführung mit Kunden. Aber was es brauchte, war ein Perspektivwechsel. Die Mitarbeitenden sollten verstehen, in welcher Lage ihre Gesprächspartner sind – und wer ihnen die erste Last oft schon abnimmt. Das veränderte ihren Blick. Und ihre Haltung.
Ein Haus mit Geschichte – und spürbarem Geist
Der Firmengründer hatte dort mit seiner Familie gelebt. Auch wenn das Haus inzwischen ausgeräumt und für Veranstaltungen umgestaltet war, fühlte es sich an, als wären wir zu Gast bei der Familie. Dieses Gefühl begleitete uns die ganze Zeit. Es war, als wäre es eine Ehre, in diesem Haus zu arbeiten.
Die Küche, der interne Aufzug, die Durchreichen – alles war spürbar durchdacht für ein gutes Miteinander zwischen Familie und Personal. Der Geist des Hauses wirkte – freundlich, klar, respektvoll. Das spiegelte sich auch in der Atmosphäre im Seminar: Wir mussten kaum an Firmenwerten arbeiten. Sie waren einfach spürbar.
Ich kannte den Gründer nicht persönlich – aber ich spürte die Wirkung seiner Haltung. Und ich fragte nach, ob das, was ich spürte, auch in der Firma so gelebt worden war. Die Antwort war eindeutig: Ja, so war er. Auch in der Firma.
Die einzige Frage, die ich mir stellen musste: Wird diese Haltung heute noch gelebt – oder hat sie sich mit dem Wandel der Zeit verändert? Die Prägung war auf jeden Fall deutlich.
Klopfgeräusche im Seminar – und eine stille Begegnung
Spannend wurde es in der Personalabteilung, die in einem alten Gebäude direkt am Berghang lag, unterhalb des Privathauses – mit hohen Decken, aber etwas düster. Ich kam ins Gespräch mit den Mitarbeitenden über ihre Lage „abseits“ – und plötzlich wurde es persönlich.
Abends, so sagten sie, sei es gruselig. Ab etwa 18 Uhr gäbe es laute Klopfgeräusche – deutlich hörbar, ohne erkennbare Ursache. Mehrere Fachleute hatten bereits versucht, die Ursache zu finden – ohne Erfolg.
Auch wenn ich eher an eine reale Ursache glaube, war der Umweg über Gespenstergeschichten hilfreich – denn er machte deutlich, dass es ein dunkles Kapitel geben könnte. Ich fragte weiter. Kein tragischer Vorbesitzer, keine erklärbaren Ereignisse – bis das Thema Zwangsarbeiter im Zweiten Weltkrieg zur Sprache kam.
Die Firma hatte früher mit Erzabbau gearbeitet. Die Personalabteilung wirkte wie in eine Ecke an den Berg gequetscht – weit entfernt von den Mitarbeitenden, für die sie eigentlich da war. Vielleicht war sie ursprünglich gar nicht für diese da. Vielleicht musste sie früher für die Zwangsarbeiter zuständig sein – denn zu denen war sie näher gelegen. Vielleicht waren es auch ihre Stimmen, die sich noch meldeten.
Ich konnte die Geräusche nicht „lösen“, das war auch nicht mein Auftrag. Aber ich wusste: Diese Geschichte wirkt. Sie darf nicht verschwiegen werden. Später las ich, dass sich zu einem Firmenjubiläum auch ehemalige Zwangsarbeiter eingefunden hatten.
Heute schmunzle ich manchmal und denke: Vielleicht kommen die Geräusche ja aus dem Inneren der Erde? Ob sie noch da sind? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß: Die Vergangenheit findet Wege, sich zu melden.
Was bleibt – und warum es wichtig ist, hinzuspüren
Vielleicht klingt manches unglaublich. Vielleicht berührt es dich. Vielleicht weckt es auch Widerstand.
Mir geht es nicht darum, zu überzeugen – sondern darum, sichtbar zu machen, was oft im Verborgenen wirkt.
Wenn wir bereit sind, Räume nicht nur als Kulisse, sondern als aktive Mitspieler zu begreifen, öffnen sich neue Perspektiven: auf das, was war – und auf das, was möglich wird.
Es braucht keine Esoterik. Es braucht Achtsamkeit, Respekt und den Mut, auch dem Unsichtbaren einen Platz zu geben.
🌀 👉 Mehr über meinen Zugang zu Spiritualität im Berufsalltag liest du hier: zum Cornerstone-Artikel.
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🔸 Andrea Sam, Kommunikationsberaterin und Coach – für gelingende Gespräche, klare Führung und persönliche Entwicklung.
Hinweis: Die in diesem Artikel geschilderten Erfahrungen beruhen auf meiner persönlichen Wahrnehmung als Prozessbegleiterin. Sie sind subjektiv und dienen nicht der Bewertung einzelner Einrichtungen. Vielmehr zeigen sie, welche Wirkung Räume und Orte auf Kommunikation, Zusammenarbeit und Atmosphäre entfalten können.