Sprechen wir über mich oder über dich?
Wie du erkennst, worum es im Gespräch wirklich geht.
Missverständnisse entstehen nicht nur, wenn jemand laut wird oder absichtlich provoziert.
Oft wirken Gespräche ganz normal – und hinterlassen trotzdem ein seltsames Gefühl.
Etwas stimmt nicht. Man hat geredet, viel sogar. Aber worum ging es eigentlich?
Sprechen wir gerade über dich – oder über mich?
Diese eine Frage kann mehr klären als viele Kommunikationsregeln.
Denn wer sie stellt, beginnt nicht bei Techniken, sondern bei sich selbst. Und genau da liegt der Schlüssel. Missverständnisse entstehen nicht nur, wenn jemand laut wird oder absichtlich provoziert.
Oft wirken Gespräche ganz normal – und hinterlassen trotzdem ein seltsames Gefühl.
Etwas stimmt nicht. Man hat geredet, viel sogar. Aber worum ging es eigentlich?
Ein zentraler Dreh- und Angelpunkt
Wenn jemand spricht, spricht er immer aus dem Ich heraus.
Aus dem, wie er die Welt erlebt. Aus dem, was ihn bewegt, was ihn umtreibt, was er fühlt, denkt, meint.
Und genau deshalb haben so viele Menschen das tiefe Bedürfnis, gehört zu werden.
Weil es so selten geschieht.
Die meisten Gespräche laufen wie gewohnt: hin und her.
Doch wenn du mal ganz bewusst nicht von dir erzählst – wenn du dich zurückhältst, einfach zuhörst, nachfragst – wirst du schnell merken:
Die wenigsten fragen wirklich nach dir.
Ich habe das oft ausprobiert.
Ich habe keine Meinung geäußert, keine Position bezogen, sondern einfach nur zugehört und nachgefragt.
Und in etwa 90 % der Gespräche kam kein einziges Mal: „Und wie siehst du das?“
Wenn ich nicht selbst damit anfange, geht mein Gegenüber oft glücklich nach Hause – fühlt sich gesehen, verstanden, angekommen.
Es geht (fast) immer um den anderen
Das ist eine erstaunliche Beobachtung.
Und sie zeigt: In vielen Gesprächen entfaltet jemand seine eigene Welt.
Was du denkst, meinst oder empfindest, ist oft zweitrangig – außer du drängst dich ins Gespräch.
Selbst wenn jemand etwas fragt, lohnt sich ein zweiter Blick: Warum fragt er das?
Ein Beispiel:
Wenn eine Tochter ihre Mutter fragt: „Wie geht es dir?“, kann das aus Fürsorge geschehen.
Aber vielleicht – und das ist oft unbewusst – steckt auch die Frage dahinter:
„Muss ich mir Sorgen machen? Muss ich reagieren?“
Oder noch tiefer: „Ich will meine Mama nicht verlieren. Dann bin ich ganz allein.“
Das klingt unbequem – und ist genau deshalb so spannend.
Denn viele scheinbar „interessierten“ Fragen haben auch mit dem Fragenden zu tun.
Was beschäftigt ihn wirklich? Was will er durch die Antwort wissen oder geregelt wissen?
Wessen Wertesystem gilt hier eigentlich?
Eine weitere Frage, die wir uns in Gesprächen stellen können:
Wessen Wertesystem liegt diesem Gespräch gerade zugrunde?
Oft wird ganz selbstverständlich angenommen, dass wir von denselben Überzeugungen ausgehen.
Aber ist das wirklich so?
Wenn ich zum Beispiel überzeugt bin, dass man nur regional und saisonal essen sollte – und du dagegen sagst: „Ich brauche viele Zitrusfrüchte und Bananen“, dann sind unsere inneren Landkarten nicht deckungsgleich.
Das führt schnell zu Reibung. Zu subtilen Urteilen oder offenen Konflikten.
Und wenn wir nicht darüber sprechen – nicht über die Hintergründe, Prägungen, Lebensumstände und Bedürfnisse – dann wirkt die eigene Haltung wie eine Selbstverständlichkeit. „Das ist doch klar“, sagen wir. Und merken nicht, dass wir schon im eigenen Wertehaus sitzen – und den anderen von außen hineinziehen wollen.
Dabei reicht es nicht, einmal darüber zu reden.
Wenn wir zum Beispiel gemeinsam einkaufen, bleibt die Frage:
Wessen Wertesystem soll gelten?
Was darf in den Korb – was nicht?
Es gibt keine einfache Lösung. Aber es braucht das Gespräch. Und das Bewusstsein:
Vielleicht geht es hier gar nicht um Bananen. Sondern um Zugehörigkeit, Gewohnheit, Identität.
Zuhören – und beobachten, worum es wirklich geht
Letztlich kannst du fast jede Aussage nehmen und fragen:
Was hat das mit dir zu tun? Warum interessiert dich das?
Du wirst selten eine direkte Antwort bekommen. Denn es braucht eine ehrliche Innenschau, um sich selbst dabei zu ertappen, wie sehr das eigene Erleben in jedem Gespräch mitschwingt.
Aber du kannst anfangen, einfach nur zu beobachten:
- Geht es jetzt um mich oder um dich?
- Wessen Thema ist gerade im Raum?
- Muss ich wirklich etwas sagen – oder kann ich noch zuhören?
Eine kleine Übung:
Halte dich im nächsten Gespräch zurück.
Rede nicht gleich von dir. Und beobachte, was passiert.
Frag dich: Wird der andere wirklich neugierig auf dich?
Fragt er mehr als einmal, wie du etwas siehst?
Wenn nicht, ist das kein Drama.
Sondern eine Erkenntnis.
Wenn Du über Dich reden möchtest
Wenn du den Wunsch hast, über dich zu sprechen – dann sprich ihn aus.
Sag: „Ich möchte dir etwas erzählen, das mir wichtig ist.“
Bitte um echtes Zuhören. Bitte darum, dass dein Gegenüber nicht gleich antwortet, urteilt oder von sich erzählt.
Das klingt einfach – ist aber im Alltag gar nicht so leicht.
Erst recht nicht, wenn ein Konflikt schon im Raum steht. Dann ist echtes Zuhören kaum noch möglich. Deshalb mein Tipp: Übe das mit einer vertrauten Person – in einem ruhigen Moment. Bitte sie, einfach mal zuzuhören.
Nur über dich. Ohne Pingpong.
Und dann beobachte, wie sich das anfühlt.
Wie ungewohnt. Wie ungeübt.
Und wie viel Klarheit plötzlich entsteht.
Denn die wichtigste Frage in jedem Gespräch bleibt:
Sprechen wir gerade über dich – oder über mich?
Interesse an mehr?
Wenn du selbst genauer hinschauen möchtest:
Wie entstehen Missverständnisse? Wie wirkt deine Kommunikation auf andere?
Und wie kommst du zu mehr Klarheit – in dir und im Gespräch?
Dann melde dich gerne:
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Andrea Sam, Kommunikationsberaterin und Coach – für gelingende Gespräche, klare Führung und persönliche Entwicklung.