Wenn Ordnungen durcheinander geraten – warum wir oft nicht hören, was wirklich gesagt wird

Schwarz-silbernes Mandala mit mehreren Kugeln in verschiedenen Größen – symbolisiert Ebenen und Ordnungen in der Kommunikation.

In vielen Gesprächen reden wir über Worte – und merken nicht, dass die eigentliche Ursache für Missverständnisse ganz woanders liegt. Oft kippt Kommunikation nicht wegen eines Satzes, sondern weil im Hintergrund Ordnungen durcheinandergeraten: Rollen, Ebenen, Zugehörigkeit, unausgesprochene Regeln. Ich erlebe das seit Jahren in Organisationen, Teams und sogar im privaten Miteinander. Und genau darüber geht dieser Artikel: Warum wir manchmal nicht hören, was wirklich gesagt wird.

Warum Ordnungen über Worte entscheiden

Worum es in diesem Artikel geht:
Warum Gespräche scheitern, wenn Ebenen durcheinandergeraten – und wie unbewusste Ordnungen in Organisationen unsere Kommunikation stärker beeinflussen als Worte.

Der erste Teil dieser Reihe erklärt, warum Ordnungen die Grundlage jeder gelingenden Kommunikation sind. Du findest ihn hier:

👉 Ordnungen im Berufsalltag – und warum wir ohne sie ständig aneinander vorbeireden

Wir reden ständig über Kommunikation.
Über Worte.
Über Formulierungen.
Über sachlich, respektvoll, wertschätzend.

Aber die Wahrheit ist:
Viele Gespräche scheitern nicht an Worten – sondern an der Ordnung dahinter.

Und das passiert viel öfter, als wir merken.

Manchmal sitzt Du in einer Runde, und plötzlich fragst Du Dich:

„Worüber reden wir hier eigentlich gerade?
Und auf welcher Ebene?“

Eben noch erzählt jemand einen privaten Schwank aus seiner Jugend –
zwei Sekunden später kommt ein beruflicher Vorschlag –
und im nächsten Atemzug eine persönliche Bewertung.

Solche Ebenensprünge sind Gift für jede Kommunikation.

Wenn im Gespräch die Ebenen springen, geht die Ordnung verloren

„Einer erzählt etwas Privates,
der zweite fühlt sich getroffen,
der dritte antwortet sachlich,
und der vierte überlegt, ob er im falschen Meeting sitzt.“

Wir wechseln im Gespräch ständig zwischen:

  • Lebensgeschichte
  • Berufsrolle
  • persönlicher Meinung
  • Position in der Gruppe
  • Erfahrung
  • Verletzung
  • Humor
  • und manchmal auch Macht

Das Problem ist nicht, dass wir die Ebenen wechseln.
Das Problem ist: Wir merken es nicht.

Wir hören etwas Persönliches – reagieren aber beruflich.
Wir hören etwas Berufliches – reagieren aber privat.
Wir hören ein Beispiel – und halten es für eine Bewertung.
Wir hören eine Frage – und antworten, als wäre es ein Angriff.

Kein Wunder, dass Missverständnisse entstehen.
Der Körper merkt die Unordnung schneller als der Kopf.

Und dann kommt noch eine zweite Ebene dazu: die Ordnungen der Organisation

Jede Organisation hat ihre eigene Ordnung.
Und die wirkt IMMER mit.

Verwaltung tickt anders als Firmen.
Verbände anders als Gerichte.
Gremien anders als Universitäten.

Und jedes System hat seine eigenen ungeschriebenen Regeln.

Wenn Du diese Regeln nicht kennst – oder nur EINEN einzigen Satz sagst, der Dich „neu“ sortiert – fällst Du sofort in eine bestimmte Position.

Ein harmloser Satz – und zack, war ich unten einsortiert

„Es ist das erste Mal, dass ich in dieser Organisation arbeite.“

Ein völlig normaler Satz.
Fachlich völlig egal.

Ich kenne hunderte Organisationen, Systeme, Rollen, Strukturen.
Aber DAS war egal.

Dieser eine Satz hat mich sofort in die Kategorie „neu“ geschoben.
Und das System hat mich genau so behandelt.

Von Anfang bis Ende.
Später sagte mir jemand: „Das hat man gemerkt.“
Ja. Ich auch.

So stark wirkt Ordnung.
Nicht die fachliche.
Die systemische.

Und ja – die Atmosphäre dort war so angespannt, dass man fast das Gefühl hatte, Ehrlichkeit sei eine Regelverletzung.
Als müsste man schweigen, um keine unsichtbaren Gesetze zu brechen.

Ordnung wirkt.
Auch wenn sie keiner ausspricht.

Manche Systeme erziehen Menschen zum Schweigen

Es gibt Organisationen, in denen Du fast spürst:

  • Sag nichts Falsches.
  • Sag nicht zu viel.
  • Mach Dich nicht sichtbar.
  • Sei bitte nicht zu ehrlich.
  • Und komm bloß nicht mit Erfahrung, die außerhalb unseres Systems liegt.

Und nein – das ist kein persönliches Problem.
Das ist ein Ordnungsproblem.

Wenn die innere Ordnung eines Systems starr ist, passen sich Menschen an.
Nicht aus Feigheit.
Sondern aus Instinkt.

Sie dosieren sich.
Sie werden vorsichtiger.
Sie halten zurück.

Und dann wundert man sich über schlechte Kommunikation.

Zugehörigkeit übertönt Kompetenz

Das habe ich in letzter Zeit öfter beobachtet:

Menschen hören nicht, wer spricht –
sie hören nur, aus welcher Schublade jemand kommt:

  • „neu“
  • „noch nicht so lange dabei“
  • „nicht von hier“
  • „gehört nicht zu unserer Gruppe“
  • „aus der falschen Abteilung“
  • „aus dem falschen Lager“

Und dann kannst Du noch so differenziert sprechen:
Die innere Sortierung ist stärker als jedes Wort.

Das ist die perfide Macht von unbewussten Ordnungen.

Wenn wir Ebenen nicht trennen, entstehen Missverständnisse

Das ist der Kern dieses Artikels:

Wir müssen im Gespräch trennen können, WELCHE Ebene gerade spricht.

Ist es:

  • die Lebenserfahrung?
  • die aktuelle Rolle?
  • die Organisationszuschreibung?
  • die Biografie?
  • die Gruppenposition?
  • die Fachkompetenz?
  • die Angst?
  • die Unsicherheit?
  • der Reflex?

Wenn wir das nicht trennen, hören wir alles durcheinander.
Und machen uns gegenseitig das Leben schwer.

Ordnung ist keine Theorie – sie ist gelebte Kommunikation

Ordnung heißt nicht „Hierarchie im alten Stil“.
Ordnung heißt:

  • Wer spricht aus welcher Rolle?
  • Welche Ebene ist gemeint?
  • Was ist Erfahrung?
  • Was ist persönliche Meinung?
  • Was gehört wohin?
  • Und was hat hier gerade Priorität?

Wenn diese Ordnung klar ist, ist Kommunikation unglaublich einfach.
Wenn sie unklar ist, prallen Menschen aufeinander, obwohl keiner etwas Böses wollte.

Mein Fazit

Wir müssen weniger darüber reden, wie Menschen sprechen –
und mehr darüber, aus welcher Ordnung sie sprechen.

Wenn Du die Ordnung verstehst, hörst Du plötzlich ganz anders:

  • klarer
  • ruhiger
  • differenzierter
  • mit weniger Drama
  • und mit viel mehr Respekt für das, was der andere wirklich meint

Ordnung schafft Frieden.
Unordnung schafft Chaos.

So simpel.
Und so tief.

Andrea Sam – Kommunikationsberaterin & Coach
Ich begleite Menschen dabei, Klarheit in ihre Gespräche und in ihre innere Haltung zu bringen.

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