Eine Folge aus der Serie: Spirituelle Wahrnehmung im beruflichen Kontext
Früher dachte ich: Mandalas – das ist doch was für Kinder. Oder für Esoterikerinnen mit zu viel Zeit. Jedenfalls nichts für den beruflichen Kontext. Heute sehe ich das anders. Für mich sind Mandalas eine klare Zentrierungshilfe. Und meine Arbeit mit ihnen hat eine längere Geschichte, als ich dachte.
Kreise, Karten und Tücher – meine Anfänge mit der Mitte
Schon lange habe ich im beruflichen Kontext mit dem Kreis gearbeitet. Früher, in meinen Seminaren, gestaltete ich immer eine Mitte im Stuhlkreis. Ich legte farbige Tücher aus, dazu eine Auswahl an Postkarten – Bilder, Worte, Impulse. Und fast jedes Mal war das der erste Blickfang: Die Teilnehmenden kamen herein, schauten auf die Karten, suchten sich eine aus. Sie waren heiß begehrt.
Gelernt habe ich diese Form der Gestaltung in einer Ausbildung zur Suggestopädie – einem pädagogischen Ansatz, bei dem ich erst einmal am Wort hängen blieb. Suggestionen? Ich wollte eigentlich nie Suggestopäde werden – allein wegen dieses Namens. Aber dahinter verbirgt sich ein durchdachtes Konzept: Suggestion im Sinne von Anregung, nicht Manipulation. Und Pädagogik im besten Sinne von Lernen mit Freude, Leichtigkeit und tiefer Wirksamkeit.
Wir alle haben – spätestens in der Schulzeit – Suggestionen zum Lernen gehört oder verinnerlicht: „Mathe ist doof.“ – „Ich bin unmusikalisch.“ – „Ich habe kein Sprachgefühl.“ Solche Sätze wirken tief. Sie wurden uns gesagt, oder wir haben sie uns selbst gesagt. Aber sie sind keine Wahrheit. Es sind Suggestionen – Gedanken, die sich eingeschrieben haben, weil sie mit bestimmten Situationen verknüpft waren.
Die Art und Weise, wie uns etwas vermittelt wurde, wie wir gesehen wurden, wie sich der Raum anfühlte – all das hat sich mit dem Lernstoff verbunden und in uns eingeprägt. Oft wirken diese Prägungen bis heute – und beeinflussen, was wir uns zutrauen oder für möglich halten.
Mit meiner Ausbildung in Suggestopädie wollte ich genau dem etwas entgegensetzen: Ich wollte Räume schaffen, in denen sich Menschen wohlfühlen, entspannen, interessiert und angeregt dabei sein können – ohne Druck, ohne Überforderung. Denn nur dann gibt es überhaupt die Chance, dass etwas wirklich ankommt. Dass sich etwas setzt, verankert, erinnert werden kann.
Und auch heute noch achte ich auf diese Dinge – in meinen Gesprächen, Beratungen, Coachings. Ich sehe oft, wie überfordernd es ist, wenn jemand sein ganzes Wissen auf einmal auskippt. Das zeigt sich besonders deutlich, wenn Menschen eine Rede halten sollen oder eine Mitarbeiteransprache vorbereiten. Oder wenn ich im Internet Fachvorträge höre – auch dort passiert es oft: Die Zuhörenden werden überfrachtet mit Informationen, Zusammenhängen, Fachbegriffen. Es ist eine echte Kunst, die Dosis so zu wählen, dass man verstanden wird – ohne zu langweilen, aber auch ohne den anderen im eigenen Wissen zu ersäufen.
Zwischen Reiz und Ruhe – der feine Unterschied im Lernen
Auch wenn ich später keine Lernplakate gebastelt habe wie im klassischen Modell der Suggestopädie, so habe ich doch sehr bewusst auf die Lernumgebung, auf die Menge der Inhalte und sogar auf den Muskeltonus der Anwesenden geachtet. Wie wach oder verspannt ein Raum ist – das merkt man schnell. Und ich habe früh gelernt: Gestaltung wirkt.
Ich achte auch auf Pausen. Wann ist der Moment, innezuhalten? Wann sinkt die Energie im Raum? Und wann entsteht gerade erst etwas – das vielleicht noch ein bisschen Raum braucht? Manchmal machen wir deshalb auch länger, weil es gerade passt.
Und mein Weg führte dann weiter – in meine ganz eigene Art, Räume zu gestalten. Mit Karten, Tüchern, Düften, Musik –
Atmosphäre ist mehr als Technik
Ich erinnere mich: Ich ließ oft auch Musik laufen beim Ankommen. Und schon war klar – wir sind nicht im „Landratsamt“, sondern an einem besonderen Ort. Ein Ort, an dem man sich wohlfühlen durfte. An dem etwas Neues geschehen konnte.
Die Mitte war für mich nie einfach nur Dekoration. Sie war ein feiner, stiller Helfer. Ein Angebot an die Teilnehmenden – und auch an mich selbst.
Besonders im Kreis – wenn alle einander gegenübersitzen – hilft es, einen gemeinsamen Punkt zu haben, auf den der Blick fallen kann. Etwas, das zentriert. Das Ruhe bringt. Das verbindet, ohne Worte.
Für mich war das Mitte-Gestalten oft der Moment, in dem ich nach der Autofahrt selbst ankam. Und ich baute in dem Raum eine andere Energie auf – egal, was vorher darin stattgefunden hatte.
Manchmal benutzte ich dazu auch weißen Pomander – ein feiner Duft, der die Atmosphäre veränderte. Nicht aufdringlich, sondern subtil. Oft sagte niemand etwas – aber alle spürten: Hier ist es anders.
Mandalas zum Ausmalen – mein kurzer Versuch
Meine ersten Berührungen mit Mandalas kamen vor Jahrzehnten – durch ein Ausmalbuch. Damals dachte ich noch: Das macht man so zur Entspannung. Aber ehrlich gesagt: Mich hat es eher gestresst.
Ich konnte die Ränder nicht gut einhalten, wusste nicht, wie stark ich drücken sollte, es sah nie so aus, wie ich es mir vorgestellt hatte. Also ließ ich es wieder.
Und doch blieben Mandalas in meinem Blickfeld. Die buddhistischen Thangkas – kunstvolle Darstellungen in Kreisform – fand ich faszinierend. Aber das war eher etwas Privates. Nichts, mit dem ich öffentlich sichtbar sein wollte.
Digitale Mandalas – vom Spiel zur Resonanz
Vor zwei Jahren entdeckte ich im Rahmen eines Sketchnote-Kurses eine App zum Mandalas-Zeichnen. Und plötzlich war alles anders.
Die Farben flossen gleichmäßig, ich malte nie über den Rand. Kein Stress mehr, keine Unsicherheit. Es machte einfach Freude.
Ich geriet in einen regelrechten Mandala-Rausch. Eines nach dem anderen. Immer wieder. Ich war ganz versunken – und zugleich hellwach.
Heute habe ich über 800 Mandalas gespeichert.
Anfangs machte ich sie nur für mich – aus reiner Freude. Aber irgendwann fragte ich mich: Wozu mache ich das eigentlich?
Ich ließ ein paar Mandalas drucken – und war überrascht, wie stark die Wirkung war. Als großformatiges Bild entfalteten sie eine ganz neue Kraft. Klarer. Tiefer. Spürbarer.
Dann begann ich, gezielt für andere Mandalas zu gestalten. Ich dachte an eine bestimmte Person, spürte hinein: Wo steht sie gerade? Was wäre stimmig für sie?
Inzwischen gestalte ich auch Mandalas auf Grundlage eines konkreten Themas. Wenn mir jemand von einer schwierigen Situation erzählt, beginne ich oft mit einem Mandala, das die aktuelle Lage widerspiegelt – in Form, Farbe und Struktur. Und manchmal entsteht danach ein zweites: ein Lösungsmandala. Eines, das zeigt, wohin die Bewegung gehen kann. Beide haben ihre eigene Wirkung. Und manchmal sagen sie mehr als Worte.
Heute nutze ich die Mandalas als Beitragsbilder für meine spirituellen Blogartikel. Sie bringen Farbe auf meine Website, sind ein visuelles Erkennungszeichen – und gefallen vielen in ihrer Schlichtheit.
Für mich sind sie mehr: Sie sind Zentrierung. Verbindung. Tiefe. Sie sind das, was früher die gestaltete Mitte im Raum war – heute auf dem Bildschirm. Und innerlich spürbar.
Dohlendeckel und Vogelrufe – andere Formen der Zentrierung
Ich merkte, wie oft Menschen in Gedanken abgelenkt sind – nicht wirklich da, nicht im Hier und Jetzt. Und ich fragte mich: Wie kann man mitten im Alltag innehalten? Wie kommt man zurück zu sich?
Dabei entdeckte ich die Dohlendeckel. Diese runden Kanaldeckel mit der stilisierten Dohle darauf wurden für mich zu einer Art Alltags-Mandala. Ich begann, sie zu fotografieren.
Ich stellte die Bilder auf Facebook – unter dem Titel „Alltags-Mandala“. Ich fotografierte alles, was rund war und half, mich zu zentrieren – nicht nur Dohlendeckel, sondern auch Teppiche, Brötchenkörbe, Wandbehänge oder Muster im Alltag. Dinge, die sonst vielleicht übersehen werden – und plötzlich eine neue Qualität bekommen.. Ich fotografierte alles, was rund war und half, mich zu zentrieren.
👉 Wenn Du magst, kannst Du hier vorbeischauen: Alltags-Mandala auf Facebook
Irgendwann dachte ich: Das Sehen funktioniert schon ganz gut – aber gibt es auch ein akustisches Signal, das mich wecken kann? So kam der Vogelruf ins Spiel. Ein ganz bestimmter Ton – klar, durchdringend, und selbst durch geschlossene Fenster manchmal hörbar.
Wenn ich ihn heute höre, ist das mein Moment, kurz innezuhalten. Zu spüren: Wie geht es mir gerade? Bin ich verspannt? Möchte ich mir etwas Gutes tun?
👉 Manchmal fragen mich Menschen, ob ich auch ein Mandala für ihr persönliches Thema gestalten kann – als Bild, das ausdrückt, was gerade innerlich wirkt oder wohin die Reise gehen darf. Wenn Dich das anspricht, schreib mir gern. Vielleicht ist das der Anfang von etwas Neuem.
🔸 Andrea Sam, Kommunikationsberaterin und Coach – für klare Führung, persönliche Entwicklung und Gespräche mit Tiefe.
👉 Diese Folge gehört zur Serie „Spirituelle Wahrnehmung im beruflichen Kontext“. Den einführenden Artikel zur gesamten Reihe findest Du hier: Spiritualität im Berufsalltag – der Überblick
I