Manche Begegnungen hinterlassen Spuren, ohne dass viele Worte fallen.
Ich habe in Arztpraxen, Zahnarztstühlen und Kanzleien erlebt,
wie Fachkompetenz und innere Haltung manchmal weit auseinanderliegen.
Manche Menschen heilen, andere funktionieren – und beides kann perfekt aussehen.
| Wirkung entsteht nicht durch Worte, sondern durch Haltung. |
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| Dieser Text erzählt von Begegnungen mit Ärzt:innen, Anwält:innen und anderen Profis – und davon, wie spürbar es ist, wenn jemand nicht wirklich da ist. Haltung ist keine Technik. Sie ist Bewusstsein. |
Fachlich stark, menschlich abwesend
Ich hatte einmal einen Hausarzt, der wirklich gut war.
Er wusste, was Sache ist – immer.
Nur: Er wusste es so sicher, dass kein Raum mehr blieb.
Wenn ich eine Frage stellte oder selbst eine Idee hatte,
spürte ich, wie der Raum enger wurde.
Das war keine böse Absicht.
Es war einfach: kein Platz für mich.
Und kein Bewusstsein dafür,
dass es mein Körper ist,
über den ich entscheide –
was damit geschieht,
was ich zulasse,
was ich brauche.
Er tat so, als gehöre dieser Körper ihm – zumindest,
solange ich in seiner Praxis war.
Ich verließ die Praxis oft mit stimmigen Empfehlungen und Mitteln –
sie passten faktisch,
aber nicht zu mir.
Gute Hände, klare Haltung
Auch im Zahnarztstuhl kann man viel über Haltung lernen.
Eine Zahnärztin arbeitete präzise, aber sie war geladen.
Zackig, schweigend –
und ich hatte das Gefühl,
sie drücke mir ihre Wut in den Kiefer.
Fachlich korrekt, alles sauber gemacht –
und trotzdem ging ich jedes Mal aufgeladen nach Hause.
Ein anderer Zahnarzt war das Gegenteil.
Seine Haltung war: Ich bin ein sehr sorgfältig arbeitender Zahnarzt.
Er achtete auf jedes Detail, war konzentriert und ruhig.
Er sah mich nicht als Person –
aber seine Genauigkeit schuf Ruhe.
Und das tat mir, ehrlich gesagt, besser.
Wenn Helfende flüchten
In einer rechtlich schwierigen Situation suchte ich Rat.
Ich war aufgewühlt, suchte Halt –
und saß mitten in der Beratung,
während die Anwälte untereinander Theaterkarten verkauften.
Sie redeten über Plätze, Termine, wer mit wem geht.
Ich saß daneben, still,
und spürte, wie ich unsichtbar wurde.
Sie wussten längst, dass rechtlich nichts zu machen war.
Statt es ehrlich zu sagen,
lenkten sie sich ab.
Ich saß da mit meinem Problem –
und ihrer Vermeidung.
Dabei wäre Haltung so einfach gewesen.
Einer hätte sagen können:
„Frau Sam, das ist wirklich eine verflixte Situation.
Sie haben den schlechtesten Vertrag, den man sich vorstellen kann.
Da kann man rechtlich nichts machen – egal, wie es aussieht oder sich anfühlt.
Es ist eindeutig.“
Ein solcher Satz hätte wehgetan –
aber er hätte getragen.
Etwas Ähnliches erlebte ich später bei einer Ärztin.
Ich sprach mit ihr darüber,
dass unsere neunjährigen Söhne bei ihr zu Hause
ein paar fast leere Bierflaschen gefunden
und die Reste daraus getrunken hatten.
Ich wollte klären, wie wir als Erwachsene damit umgehen können.
Während ich sprach, füllte sie ein Rezept aus und sagte beiläufig:
„Bei mir im Haus gibt es keinen Alkohol.“
Ich fand das absurd.
Natürlich steht in fast jedem Haushalt irgendwo eine Flasche –
und ohne Alkohol hätten die Jungs ja nichts finden können.
Erst später erfuhr ich,
dass ihr Mann ein Alkoholproblem hatte.
Ich hatte ihr, ohne es zu wissen,
einen wunden Punkt berührt.
Und sie wich aus –
so, wie viele ausweichen, wenn es ihnen zu nah kommt.
Haltung ist kein Extra
Diese Begegnungen haben mir gezeigt:
Kompetenz reicht nicht, wenn Haltung fehlt.
Jeder Mensch wirkt.
Immer.
Wer seine innere Spannung, Wut oder Angst nicht kennt,
überträgt sie –
durch Ton, Tempo, Berührung, Blick.
Und wer präsent bleibt,
schenkt Sicherheit,
auch ohne viele Worte.
Was Haltung für mich bedeutet
Haltung heißt für mich:
Menschen als Ganze zu sehen –
mit ihrer Geschichte, ihrem Tempo, ihrer Freiheit.
In Gruppen spreche ich oft allgemein,
damit jeder etwas finden kann, das anklingt.
Aber wenn jemand eine Frage stellt,
bekommt er eine persönliche Antwort.
Nicht jede passt für alle –
und das sage ich auch so.
Jeder Mensch bekommt den Impuls,
der gerade für ihn stimmig ist.
Niemand muss an allem arbeiten.
Haltung ist Bewusstheit, Differenzierung
und Respekt vor dem inneren Weg des anderen.
So entsteht echte Wirkung –
auch ohne viele Worte.
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